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Keine Unterhaltspflicht von Eltern bei eigener Erstausbildung
Der BGH stellte in seinem Urteil vom 04.05.2011 zunächst zu § 1603 BGB fest, dass auch Eltern, die aus finanziellen Gründen nicht für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen können, alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für ihren eigenen Unterhalt und den ihrer minderjährigen Kinder verwenden müssen (so genannte gesteigerte Unterhaltspflicht). Ein gesteigert unterhaltspflichtiger Elternteil sei verpflichtet, alle ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeiten zu nutzen.
Verfüge der Elternteil bereits über eine Berufsausbildung, die ihm eine ausreichende Lebensgrundlage bietet, dürfe er eine bestehende Arbeit nicht einfach aufgeben, um eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen. Der Unterhalt der Kinder gehe grundsätzlich vor. Verletzte ein Unterhaltspflichtiger diese Pflicht leichtfertig, könne ein fiktives Einkommen bei der Unterhaltsberechnung herangezogen werden.
In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin bei der Geburt ihrer beiden Kinder 16 bzw. 18 Jahre alt und selbst noch Schülerin. Ihren Hauptschulabschluss holte sie später nach und arbeitete anschließend als ungelernte Kraft in wechselnden Anstellungen teils im Geringverdienerbereich. Zwischenzeitlich war sie auch kurzfristig arbeitslos. Nach der Trennung der Eltern leben die Kinder seit 2004 bei ihrem Vater; die Mutter ist verpflichtet, Barunterhalt zu zahlen.
Die junge Frau konnte in der Zeit, in der sie arbeitete, aufgrund ihres geringen Einkommens nur geringe monatliche Unterhaltsleistungen für ihre Kinder aufbringen. Ende Januar 2009 nahm sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau auf. Da ihr wegen der Ausbildung erheblich weniger Geld zur Verfügung stand als vorher, klagte sie auf Aufhebung ihrer Unterhaltspflicht.
Nachdem sie zunächst vor dem Amtsgericht Wolfsburg unterlegen war, gaben ihr das OLG Braunschweig und nun der BGH in dritter und letzter Instanz Recht.
Es sei nicht zu beanstanden, dass der Senat des OLG die Unterhaltspflicht der Klägerin für den Zeitraum der Ausbildung aufgehoben habe, so die Karlsruher Richter. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin ihre Kinder bereits mit 16 und 18 Jahren geboren hatte und ihren Hauptschulabschluss erst nach der ersten Geburt erwerben konnte, habe der OLG-Senat der Erstausbildung zu Recht Vorrang eingeräumt.
Ohne Berufsausbildung wäre sie nach ihrer bisherigen Erwerbsbiografie nur sehr eingeschränkt leistungsfähig geblieben. Die erstmalige Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau werde die Erwerbsaussichten der Klägerin deutlich verbessern und den Kindern letztlich eine sicherere Grundlage für ihren Unterhalt schaffen. Daran ändere im Übrigen auch der Umstand nichts, dass sie ihre Berufsausbildung erst jetzt im Alter von 30 Jahren begonnen habe. Denn in der Zeit seit Beginn der Betreuung durch den Vater habe sie sich über mehrere Jahre erfolglos um eine höhere vergütete Erwerbstätigkeit bemüht.
BGH Urteil vom 04.05.2011, Az. XII ZR 70/09
Quelle: LTO online
Eingestellt am 25.10.2011 von W.Magerl
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