Einem ausländischem Kindsvater ist die Ausreise und vorübergehende Trennung von seinem halbjährigen Kind nicht zumutbar

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof war die Frage, ob einem Ausländer die Abschiebung in das Heimatland und damit die vorübergehende Trennung von seinem während des ausländerrechtlichen Verfahrens geborenen, jetzt sechs Monate alten Kindes zur Nachholung des Visumverfahrens vom Ausland aus zuzumuten ist oder der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 des Grundgesetzes entgegensteht.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob die Entscheidung der Ausländerbehörde, die die Zumutbarkeit bejahte, auf und stellte fest, dass eine Ausreise und vorübergehende Trennung von dem Kleinkind unzumutbar sei. Könne die Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer, seinem Ehepartner und den gemeinsamen Kindern nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, so dränge die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Die Eheschließung und Geburt eines Kindes bewirke eine Zäsur, die zu einer Neubeurteilung zwinge. Bei einem kleinen Kind schreite die Entwicklung so schnell voran, dass selbst eine verhältnismäßig kurze Zeit der Trennung schon unzumutbar lang sein könne.

Leitsatz des Gerichts:

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer, seinem Ehepartner und den (gemeinsamen) Kindern nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil bei einem der beiden Partner unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt und diesem deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt wurde, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig auch dann zurück, wenn der Ausländer vor Entstehung der schützenswerten Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass durch das nachträgliche Entstehen der durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG grundsätzlich geschützten Lebensgemeinschaft regelmäßig eine neue Situation eintritt, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht eine Zäsur bewirkt und damit eine Neubeurteilung und -bewertung erforderlich macht. Auf die Frage, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (im Anschluss an BVerfG, B. v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 –, NVwZ 2000, 59 und B. v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.07.08, AZ 19 CE 08.781

Vorinstanz: VG Bayreuth AZ B 1 E 07.1253



Eingestellt am 07.08.2008 von W.Magerl
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