Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in der Europäischen Union

Die Justizministerinnen und -minister der Europäischen Union haben sich auf eine Verordnung geeinigt, die die Durchsetzung von Unterhaltsforderungen in der Europäischen Union über die Grenzen hinweg erleichtern wird. "Unterhaltsschuldner sollen sich innerhalb Europas nicht länger hinter Grenzen verstecken können", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. "Unterhaltsberechtigte, vor allem Kinder, sollen ihre Ansprüche auch dann effektiv durchsetzen können, wenn der Unterhaltsschuldner in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union lebt oder sich sein Vermögen dort befindet."

Die neue Verordnung baut auf einem weltweiten Übereinkommen zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen auf; die Verhandlungen dazu im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht wurden im November 2007 abgeschlossen.

"Im Rahmen der Europäischen Union gehen wir aber zu Gunsten der Unterhaltsberechtigten noch weiter, als es im internationalen Raum möglich war. Beispielsweise gilt die Verordnung nicht nur für Kindesunterhalt, sondern für alle Unterhaltsansprüche, also etwa auch für Ehegatten und andere Lebenspartner; nationale Vorbehalte sind nicht mehr möglich. Dadurch stellen wir sicher, dass alle bei uns anerkannten Unterhaltspflichten in Zukunft EU-weit zügig durchsetzbar sind. Die Verordnung sieht dazu außerdem vor, dass Unterhaltsentscheidungen in jedem Mitgliedstaat ohne weiteres Anerkennungsverfahren vollstreckbar sind."

Beispiel: Ein deutsch-französisches Paar lebt in Frankreich, sie bekommen ein Kind. Als sich das Paar später trennt, zieht die deutsche Ehefrau zusammen mit dem gemeinsamen Kind zurück nach Deutschland. Weil der Vater keinen Unterhalt zahlt, klagt sie auf Unterhalt für sich und das Kind vor dem zuständigen deutschen Gericht. Falls der Vater auch nach dem Urteil nicht zahlt, kann die Ehefrau in Zukunft sofort die Zwangsvollstreckung in Frankreich einleiten und z. B. das Arbeitseinkommen des Vaters pfänden lassen. Nach derzeitiger Rechtslage müsste das Urteil dagegen noch in Frankreich in einem speziellen Verfahren für vollstreckbar erklärt werden, was zusätzlich Zeit und Geld kostet.

Bei ihrer Entscheidung werden die Gerichte in der EU harmonisierte Regelungen zum Internationalen Privatrecht (IPR) anwenden. Das IPR besagt, nach dem Recht welches Staates sich Bestehen, Umfang und Dauer der Unterhaltspflicht bestimmen. Die Vereinheitlichung stellt die Berechenbarkeit von Unterhaltsentscheidungen sicher und schafft so das nötige Vertrauen auf faire Entscheidungen. Außerdem wird die Wahl eines ganz bestimmten Gerichtsortes aus rein taktischen Gründen - weil sich der Kläger an diesem eine für ihn besonders günstige Entscheidung verspricht - vermieden, weil jedes Gericht in der EU das gleiche Sachrecht anwenden wird.

"Wir geben den Unterhaltsberechtigten zudem noch weiter gehend als bisher Unterstützung durch staatliche Behörden, sogenannte Zentrale Behörden. Nicht selten scheitert die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs schließlich zum Beispiel schon daran, dass nach einem Umzug des Schuldners seine Anschrift und seine Vermögensverhältnisse nur schwer zu ermitteln sind", ergänzte Zypries.

Benötigt ein Unterhaltsberechtigter Hilfe, kann er sich an die zuständige Behörde in dem Staat wenden, in dem er lebt. Diese arbeitet dann mit der zuständigen Behörde des Staates zusammen, in dem der Unterhaltspflichtige wohnt, um den Unterhaltsanspruch durchzusetzen. In Deutschland wird dies das Bundesamt für Justiz in Bonn sein.

In dem oben beschriebenen Beispielsfall könnte die Ehefrau für sich und das Kind auch einen Antrag auf Unterstützung bei der zuständigen Behörde in Deutschland stellen. Diese würde dann in Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde in Frankreich dafür sorgen, dass Ehefrau und Kind den Unterhalt bekommen. Die Behörde in Frankreich würde den Vater zur Zahlung auffordern und notfalls auch vor einem Gericht in Frankreich verklagen.

Die Zentrale Behörde im Staat des Unterhaltspflichtigen kann dabei in begrenztem Umfang auch Informationen bei anderen Behörden abfragen und so z. B. seine Adresse und seinen Arbeitgeber ausfindig machen oder feststellen, welches Vermögen er hat. Unter bestimmten Bedingungen kann sie diese Informationen außerdem an die Zentrale Behörde im Staat des Unterhaltsberechtigten weiter geben.

Über den Vorschlag für die Verordnung wurde seit Anfang 2006 verhandelt. Die Justizministerinnen und -minister hatten im April 2007 und im Juni 2008 Leitlinien zu den wesentlichen Punkten der Verordnung festgelegt. Mit der nun gefundenen politischen Einigung steht der Inhalt der Verordnung, die auch ein Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 war, endgültig fest. Es werden nun noch Beratungen zu den Erwägungsgründen und den Formularen sowie eine sprachliche Überarbeitung des gesamten Textes folgen.

Die Verordnung wird nach einer Übergangszeit von 2 ½ Jahren ab Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union gelten. Diese Zeitspanne brauchen die Mitgliedstaaten, um ihr Recht an die Bestimmungen der Verordnung anzupassen und die Verwaltungsabläufe zu organisieren.

Unabhängig davon können Unterhaltsberechtigte in Deutschland auch heute schon die Unterstützung nach dem UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland oder nach dem Auslandsunterhaltsgesetz in Anspruch nehmen, wenn sich der Unterhaltspflichtige in einem anderen Staat befindet. Nähere Informationen hierzu gibt die Web-Seite des Bundesamtes für Justiz (www.bundesjustizamt.de) unter der Rubrik "Auslandsunterhalt".



Eingestellt am 30.10.2008 von W.Magerl
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